Ein unbekannter Brief Ernst Moritz Arndts (Völkischer Beobachter, 28.5.1939)

Sie schreien ihr freches und wüstes Gelärm“

Ernst Moritz Arndt hat sich schon sehr früh mit der Judenfrage beschäftigt und die Reinhaltung der Rasse gefordert. Bereits im Jahre 1814 schrieb er in dem Buch „Blick aus der Zeit in die Zeit“: „Erstlich ist jede zu häufige Mischung der Völker mit fremden Stoffen durchaus ein Verderben, das widerstreitende Triebe und Anlagen hervorbringt und die Eigentümlichkeit eines Volke zerstört. Auch aus dieser Ursache ist das Geschlecht der Mischlinge auf den Grenzscheiden der Völker gewöhnlich ein leichtfertiges und treuloses Geschlecht … Wahrlich also unrecht haben diejenigen getan, welche ohne weitere Berücksichtigung so großer Unterschiede und so wichtiger Folgen für das Ganze den Juden gleiche Bürgerrechte mit den Christen bewilligt haben.“

Der hier zum ersten Mal veröffentlichte Brief aus dem Jahre 1843, den er an einen Berliner Literaturhistoriker gerichtet hatte, ist ein weiteres Zeichen für das wache Interesse des damals 74-jährigen für die brennenden Fragen der Zeit, die sich aus der unter Hardenberg geforderten und durchgeführten Emanzipation (Gleichstellung in den allgemeinen Bürgerrechten) der Juden ergaben.

Jetzt konnten die Kinder Israels alle Berufe ergreifen, deutsche Namen führen, deutsches Land erwerben, Beamter werden, mit Ariern Mischehen eingehen. In wenigen Jahren bemächtigten sie sich großer Teile des Wirtschaftslebens (Rothschilds); in zwei, drei Jahrzehnten wurden sie ausschlaggebend in der Literatur und im Zeitungswesen. Der Einfluss des Chain Bückeburgs, der sich Heinrich Heine nennen durfte, und Lion Baruchs, der sich Ludwig Börne nannte, ist in früherer Zeit meistens nur vom dichterischen Standpunkt gewürdigt worden. Wie verheerend ihr Einfluß, ganz besonders aber der von Rahel Varnhagen, geb. Levin, und ihres Kreises auf allen anderen Gebieten war, ist noch nicht genügend gewürdigt worden. Aus deren Salon brachten die jungen Dichterlinge ihre echt semitische Weisheit, nicht immer ohne Geist, aber immer zersetzend. Die Schlagworte von der Emanzipation des Fleisches und vom Recht der Sinne waren echte Kinder Heinescher Spottsucht und Varnhagenscher Salongespräche. Das war der Geist der „Gebildeten“ in den dreißiger und vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts.

Der Brief E. M. Arndts, den uns Herr Hoffmann in Bremen zum Abdruck zur Verfügung stellte, berührt ein Problem dieser Tage: die Einbringung eines aus dem Geist jener Jahre geborenen neuen Ehegesetzes.

So geht es einem, geehrter Herr und Freund, daß die guten Leute – und auch Sie – voraussetzen, sie sprechen noch einem Rüstigen zu, und sie haben mit einem kranken Greis zu thun, der aus dem letzten Loche pfeift.

Ihr Werthes, Ehrenvolles, und die mitfolgenden Gaben fanden mich, den Kranken, im Bette, und noch krank eile ich, Ihnen wenigstens mit ein paar Worten für Ihre liebe Meinung und Absicht herzlich zu danken; aber ich war außer Stande, eben wegen meiner Kränklichkeit, und auch weil ich von allen Verhandlungen hinsichtlich des besprochenen und verschrienen Ehegesetzes noch nicht die nöthige Kunde habe, in jener Sache und über jene Sache auch etwas zu sagen. Ich bin übrigens in Beziehung auf den Ernst und die Heiligkeit der Ehe ganz mit Ihnen einverstanden, und daß das Endziel dieser Vereinigung die Auflösung des thierischen und Hebung des idealischen göttlichen Seyns seyn müsse. Doch werden die Anfänge und Einleitungen dieser Vereinigung des Mannes und des Weibes, welche ein höheres, tieferes Leben schaffen und hervortreiben sollen, immer (bei edlen Menschen selbst!) irdischer und leiblicher seyn, als Sie anzudeuten scheinen, darin vielleicht etwas zu flüchtig.

Das Geschrei gegen den Ernst und die Strenge, welche man in dieser heiligen Angelegenheit endlich scheint brauchen zu wollen, ist freilich ein Jammer und ein böses Zeichen, das die s.g. Gebildeten von sich geben; denn Juden oder getaufte und mit der leichten Philosophie des Tages eingesalbte Judengenossen haben sich der Literatur, der fliegenden Tagesblätter wohl zur guten Hälfte bemächtigt und schreien ihr freches uns wüstes Gelärm, wodurch sie uns Christenthum und jede heilige und menschliche Staatsordnung als Lüge und Albernheit in die Luft blasen möchten, über die Welt hin.

Also die Hand her! Ich theile in dieser großen Sache ganz Ihren Ernst, aber ich fühle mich eben ganz außer Stande, darin etwas zu wirken. Auch das Büchlein über die Finanzen und über das Heillose der Staatsanleihen auf Kosten der Enkel und Urenkel habe ich mit Vergnügen und nicht ohne Belehrung gelesen. Und nun Lebewohl und Ihnen und dem Vaterlande ein fröhliches, glückbringendes Neujahr, und denen, bei welchen die Entscheidung der großen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung steht, Muth und Weisheit und jenen Ernst, der sich von der leichten und frechen Art des Tages nicht wegtreiben läßt! Amen!

Ihr E. M. A r n d t

Anmerkungen:

Interessant, was der Völkische Beobachter 28.5.1939 unterstreicht: Arndt ist von 1814 bis 1843 keineswegs gemäßigter geworden, was sein Rassismus und Antisemitismus (und seine Verdammung der liberalen Presse) betrifft. Was 1843 Arndts antisemitische Reflexe auslöste, ist die Debatte um Gesetze, die dann zwei Jahre später erlassen wurden: „Allerhöchste Kabinetsordre, die Verpflichtung der Juden zur Führung festbestimmter und erblicher Familiennamen betreffend
vom 31. Oktober 1845 (GS. S. 682)“ und: „Allerhöchste Kabinetsordre, die allgemeine Militairpflicht der Juden betreffend vom 31. Dezember 1845 (GS 1846 S. 22).“

Hier zwei Seiten aus dem Buch Arndts von 1813, „Blick aus der Zeit in die Zeit“, das das Naziblatt Völkischer Beobachter zustimmend zitiert. Der Anfang des Kapitels „Noch etwas über die Juden“ dokumentiert übrigens, dass Arndt wegen seiner judenfeindlichen Äußerungen stark kritisiert wurde – nicht alle dachten so wie er!